5. Gleichamberg

Untergang des Dorfes Glichon

Dort, wo der Aschenbach in die Milz fließt, lag vor vielen Jahren das Dorf Glichon. Noch heute soll es da nicht geheuer sein. Mancher, der verspätet durch die Milzniederungen kam, konnte eine seltsame Wahrnehmung machen. Er wurde von einem Reiter in altertümlichem Gewand überholt, der dann den Weg verließ und in den sumpfigen Wiesen spurlos verschwand. Diese unheimliche Begegnung verlief in völliger Stille. Ursprünglich waren die Dörfer Gleichamberg und Gleicherwiesen eine einzige Siedlung. Kümmerlich nährten sich Einwohner von dem, was sie in harter Arbeit dem Boden abgerungen hatten. Die Not war ein ständiger Gast in den Hütten von Glichon. Doch die Bewohner klagten nicht, denn jeder wusste, dies war der Preis, dass sie frei leben konnten. Diese Freiheit war bedroht. Der Graf von Henneberg entsandte in alle freien Dörfer seine Boten, um den Zins und die Fron zu fordern. Wehe denen, die nicht zahlen konnten! Rücksichtslos zerrten die Henneberger das dürre Vieh aus dem Stall und raubten die kargen Vorräte. Der Bote auf dem Weg nach Glichon verirrte sich in den Milzniederungen. Er sah von fern die Lichter des Dorfes, sein Pferd bäumte sich plötzlich auf. Mit einem Angstschrei preschte es vorwärts. Zu spät erkannte der Bote die Gefahr, Roß und Reiter versanken im Moor. Vergeblich wartete der Graf auf die Wiederkehr seines Knechtes. Da er vermutete, die Bewohner Glichons hätten ihn ermordet, schickte er sein Heer. Ein Bauer eilte heran, um die Bewohner zu warnen. Ein Teil dieser flüchtete in die Wälder der Gleichberge, andere in die Sümpfe der Milz und sahen ihr Heimatdorf in Flammen aufgehen. Lange lebten sie in ihren Schlupfwinkeln, bis sie geeignetes Land für neue Dörfer gefunden hatten – für Glychen am Berg und Glychen auf der Wiesen.