Projektgruppe der Grabfeld-Allianz informierte sich in Thüringen
Der demografische Wandel erfordert ein Umdenken, von der Konzentration zur Dezentralisierung. Das haben die zehn Gemeinden der Allianz Grabfeld offenbar erkannt und deshalb eine neue Projektgruppe „Nahversorgung“ gegründet, die sich am Montag zum ersten Mal traf und gleich eine Exkursion zu einem Dorfladen in Bedheim (Lkr. Hildburghausen) unternahm. Ladenbesitzer Wolfgang Sonntag ist einer der „Grabfeldbotschafter“ und gab seine Praxiserfahrungen weiter.
Wie kann man auf den Dörfern die Versorgung der älteren und aller nicht mobilen Einwohner mit den wichtigsten Nahrungsmitteln gewährleisten und ihnen außerdem einen Ort für Gespräche und Kontakte bieten? Ist es sinnvoll, Dorfläden in den größeren Orten aufzubauen und gemeinsam einen Verkaufswagen anzuschaffen, oder genügt ein Lieferservice, ausgehend von den Dorfläden?
Diese Fragen stellten sich die Mitglieder der Projektgruppe und besichtigten den seit Juli laufenden Bedheimer Dorfladen, der auch über eine Café-Ecke verfügt. Dort gibt es außerdem immer mittwochs einen kleinen Imbiss.
Aus dem Bauch heraus
Hildburghausen ist nur sieben Kilometer entfernt, es gibt 587 Einwohner und etwas Durchgangsverkehr. 500 Einwohner ist laut Edeka die Mindestgröße für ein Geschäft. „Ich habe keine Analyse erstellt, sondern aus dem Bauch heraus entschieden, dass etwas getan werden muss“, berichtet Sonntag. Das hauptsächliche Warensortiment bestellt er bei Edeka, außerdem hat er regionale Lieferanten für Wurst- und Backwaren. Der Handelsvertreter hat den Verkaufsraum mit Lagerraum, kleiner Küche und WC-Anlagen gemietet und seine Tochter sowie zwei Teilzeitkräfte angestellt. Als „Springer“ steht er selbst zur Verfügung.
„Die Verkäuferin muss nett und freundlich sein und eine positive Ausstrahlung haben, das Geschäft muss ansprechend gestaltet sein und man sollte auch mal was anderes bieten. Wir grillen hier alle 14 Tage“, berichtet Sonntag. Den Postdienst erledigt der Laden als Ergänzung, und das Angebot werde gut angenommen, so der Ladeninhaber.
„Man muss Enthusiast sein. Wer denkt, mit einem Dorfladen wird man reich, erliegt einer Illusion“, sagt der Besitzer, der froh ist, wenn er Ende des Monats eine schwarze Null schreibt. Das ist es ihm jedoch wert, und er selbst braucht keinen Zusatzverdienst. „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht“, steht am Laden, aber Sonntag macht sich keine Illusionen, dass die Mehrheit der Bürger ihre Großeinkäufe in Supermärkten der Umgebung tätigt.
Es gibt aber Senioren, die fast ihren ganzen Bedarf im Dorfladen einkaufen, außerdem hat er alle Vereine angesprochen, die aus Solidarität zur Kundschaft zählen. „Erst, wenn alles weg ist, merken die Leute, dass ihnen was fehlt“, sagt der Bedheimer.
Einkaufsverhalten entscheidend
Die Sensibilisierung der Bevölkerung und ihr Einkaufsverhalten seien enorm wichtig, damit sich ein Dorfladen trägt. Ob freiwillige Helfer mit „Dorfladentalern“ entschädigt werden (ähnlich wie in Unsleben) oder der Laden als Genossenschaft geführt wird, ist eine Frage des Konzeptes, wurde in einer Diskussionsrunde besprochen.
„Die Bevölkerung muss dahinter stehen“, darüber waren sich alle Mitglieder der Projektgruppe einig. „Die älteren Leute sind die Gewinner bei einem Dorfladenprojekt, sie haben Bewegung, Ansprache und können einkaufen, es kommen aber auch die anderen Altersgruppen hierher“, so Sonntag. Er macht den Leuten außerdem klar, dass die Immobilienpreise fallen, wenn in einem Dorf überhaupt nichts mehr los ist.
Bürgermeisterin Angelika Götz würde am liebsten gleich loslegen, denn in Sulzdorf ist ein idealer Verkaufsraum im Rathaus vorhanden, der somit mietfrei wäre. Momentan gibt es in der Gemeinde keinen Laden. Es soll aber ein gemeinsames Allianz-Projekt sein. Deshalb wurde vom Gruppensprecher, Trappstadts Bürgermeister Michael Custodis und von seinem Höchheimer Amtskollegen Gerold Weiß angeregt, zunächst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. In der Allianzsitzung an diesem Mittwoch soll dies besprochen werden.
Regina Vossenkaul